Kann
das Gewissen böse sein? Ist nicht das Gewissen eine gute Sache? Es
ist doch die Stimme in uns Menschen, die uns ermahnt, das Gute zu tun
und das Böse zu lassen.
Ja,
das Gewissen erfüllt eine wichtige Funktion im Leben von uns
Menschen. Gewissenlose Menschen sind eine grosse Gefahr für unsere
Gesellschaft.
Ich
spreche hier auch nicht vom schlechten Gewissen, weil man etwas getan
hat, was man nicht hätte tun sollen oder etwas unterlassen hat, was
man hätte tun sollen.
Trotz
allen guten Auswirkungen, die das Gewissen für uns Menschen hat,
musste ich feststellen, dass das Gewissen in meinem Leben sehr
zerstörerisch gewirkt hat. Es wurde zur Ursache von innerer
Ruhelosigkeit und Traurigkeit. Wie ist das möglich?
Im
Hebräerbrief ist die Rede von einem bösen Gewissen.
Hebräer 10,19-22:“Da
wir nun, ihr Brüder, kraft des Blutes Jesu Freimütigkeit haben zum
Eingang in das Heiligtum, den er uns eingeweiht hat als neuen und
lebendigen Weg durch den Vorhang hindurch, das heißt, durch sein
Fleisch, und da wir einen großen Priester über das Haus Gottes
haben, so laßt uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in völliger
Gewißheit des Glaubens, durch Besprengung der Herzen los vom bösen
Gewissen und am Leib gewaschen mit reinem Wasser.“
Um
diese Verse zu verstehen, braucht es etwas Hintergrundwissen. Im
Alten Testament gab es einen Tempel und vorher eine Stiftshütte, was
eine Art transportabler Zelttempel war. Wenn Israeliten gesündigt
hatten, dann konnte ein Priester ein Tier opfern. Dieses Tier musste
stellvertretend für den Menschen, der gesündigt hatte, sterben. Der
Tempel und die Stiftshütte bestanden aus einem Heiligtum und einem
Allerheiligsten, welches durch einen Vorhang abgetrennt war. Einmal
im Jahr ging ein Priester durch den Vorhang ins Allerheiligste. Auch
das im Zusammenhang mit der Vergebung der Sünden des Volkes Israels.
Doch
das stellvertretende Sterben der Tiere und das Vergiessen ihres
Blutes konnte die Sünden des Volkes Israel nicht wegnehmen, sondern
war ein Hinweis auf Jesus hin, der am Kreuz auf Golgatha das
wirkliche Opfer für die Sünden der Menschen gebracht hatte. Jesus
wird im Hebräerbrief auch als unser Priester beschrieben, der durch
das Darbringen seines Opfers die Vergebung unserer Sünden bewirkt.
Und deshalb können wir nun selber in das Heiligtum hineingehen, vor
den Thron Gottes, weil wir durch die Vergebung unserer Sünden nun
völlig gerecht sind.
Wenn
wir etwas Böses getan haben und wir so vor Gott schuldig geworden
sind, dann ist es die Aufgabe unseres Gewissens, uns daran zu
erinnern. Aber sobald diese Schuld vergeben ist, hat unser Gewissen
diese Aufgabe nicht mehr.
Es
ist in Ordnung, wenn wir Mahnungen bekommen für Rechnungen, die wir
noch nicht bezahlt haben. Aber es ist nicht mehr in Ordnung, wenn wir
Mahnungen bekommen für Rechnungen, die bezahlt sind. Dies gilt auch,
wenn wir die Rechnung nicht selbst bezahlt haben, sondern ein anderer
sie bezahlt hat.
Unsere
Schulden vor Gott, dem Vater, hat Jesus mit seinem Opfertod am Kreuz
bezahlt. Unser Gewissen braucht uns deshalb nicht mehr an diese
Schulden zu erinnern. Wenn es dies nun aber trotzdem tut, dann ist
es ein böses Gewissen. Und wir dürfen unserem Gewissen sagen, dass
es kein Recht hat, uns wegen bezahlter Schulden anzuklagen.
Die
Bibel macht uns klar, dass wir mit unseren Anstrengungen nie vor Gott
gerecht werden können.
Römer
3,22-23:“Denn
es ist kein Unterschied; denn alle haben gesündigt und verfehlen die
Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten.“
Sünde
ist ja nicht nur, wenn wir etwas tun, was wir nicht tun sollen,
sondern auch wenn wir etwas nicht tun, was wir tun sollten.
Jakobus
4,17:“Wer
nun Gutes zu tun weiß und es nicht tut, für den ist es Sünde.“
Für
jemand, der ein feines Gewissen hat, stellen sich viele Fragen. Zum
Beispiel kann ich ein Hosen kaufen, von dem ich weiss, dass die
Herstellung dieser Hosen mit viel Ungerechtigkeit verbunden ist.
(schlechte Arbeitsbedingungen, Umweltverschmutzung, etc.) Und was ist
mit den Hosen, wo ich die Fakten der Produktion nicht bekannt sind?
Unser Wohlstand basiert zu einem grossen Teil auf Ungerechtigkeit.
Darf ich ihn überhaupt noch geniessen? Habe ich genug an Hilfswerke
gespendet? Könnte ich nicht noch mehr? Wann habe ich genug
gearbeitet? Könnte und sollte ich nicht noch mehr? Ab wann bin ich
ein guter Christ? Und ab welchem Niveau ist Gott mit mir zufrieden?
Die
Antwort ist ganz einfach: Nie! Wir können uns anstrengen, wie wir
wollen. Wir verfehlen immer den Massstab von Gottes Gerechtigkeit.
Vielleicht gelingt es uns, unseren Masstab soviel runter zu
schrauben, dass wir ihm genügen können. Aber Gottes Masstab werden
wir nie genügen. Und wer ein feines Gewissen hat, wird auch diesem
Gewissen nie genügen. Und das ist so zermürbend. Es bewirkt
Ruhelosigkeit und Traurigkeit.
Und
was ist die Lösung? Die Lösung ist das stellvertretende Opfer von
Jesus am Kreuz. Wenn ich dies im Glauben annehme, dann erhalte ich
die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.
Römer
3,21-26:“Jetzt
aber ist außerhalb des Gesetzes die Gerechtigkeit Gottes offenbar
gemacht worden, die von dem Gesetz und den Propheten bezeugt wird,
nämlich die Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben an Jesus
Christus, die zu allen und auf alle [kommt], die glauben. Denn es ist
kein Unterschied;
denn
alle haben gesündigt und verfehlen die Herrlichkeit, die sie vor
Gott haben sollten, so daß sie ohne Verdienst gerechtfertigt werden
durch seine Gnade aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus ist.
Ihn hat Gott zum Sühnopfer bestimmt, [das wirksam wird] durch den
Glauben an sein Blut, um seine Gerechtigkeit zu erweisen, weil er die
Sünden ungestraft ließ, die zuvor geschehen waren, als Gott
Zurückhaltung übte, um seine Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit zu
erweisen, damit er selbst gerecht sei und zugleich den rechtfertige,
der aus dem Glauben an Jesus ist.“
Wir
werden gerecht nicht durch unsere Werke, sondern durch den Glauben an
die Erlösungstat von Jesus.
Vielleicht
geht es dir wie mir, dass du das seit Jahren oder sogar Jahrzehnten
weisst und zumindest bekennst, zu glauben, und trotzdem dich das böse
Gewissen immer wieder anklagt.
Soll
ich dann gewissenlos in dieser Welt leben, weil ich durch den Glauben
gerecht bin und nicht durch Werke? Soll ich mich nicht mehr
anstrengen, gute Werke zu tun? Das kann doch nicht wahr sein. Und
schon bin ich wieder in die eigene Werksgerechtigkeit
hineingerutscht. Und der Glaube an das Opfer von Jesus hat kaum noch
Auswirkungen auf mein praktisches Leben.
Das
neue Testament spricht viel von guten Werken. So schreibt Jakobus:
Jakobus
2,14-18:“Was
hilft es, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat
doch keine Werke? Kann ihn denn dieser Glaube retten? Wenn nun ein
Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung ist und es ihnen an der
täglichen Nahrung fehlt, und jemand von euch würde zu ihnen sagen:
Geht hin in Frieden, wärmt und sättigt euch!, aber ihr würdet
ihnen nicht geben, was zur Befriedigung ihrer leiblichen Bedürfnisse
erforderlich ist, was würde das helfen? So ist es auch mit dem
Glauben: Wenn er keine Werke hat, so ist er an und für sich tot.
Da
wird dann einer sagen: »Du hast Glauben, und ich habe Werke. Beweise
mir doch deinen Glauben aus deinen Werken, und ich werde dir aus
meinen Werken meinen Glauben beweisen!«“
Hier
schleicht sich oft ein tragisches Missverständnis ein. Jakobus
schreibt nicht, dass wir uns mit guten Werken anstrengen sollen, um
vor Gott gerecht zu werden. Er schreibt, dass der Glaube an das
stellvertretende Opfer Jesu, gute Werke zur Folge hat.
Dies
ist die Verwechslung von Ursache und Wirkung. Die Gerechtikeit durch
den Glauben ist die Ursache von guten Werken. Nicht umgekehrt: Die
guten Werke sind nicht die Ursache für unsere Gerechtigkeit vor
Gott.
Durch
die Gerechtigkeit, welche durch den Glauben an das Opfer von Jesus
kommt, werde ich mit Liebe, Freude und Dankbarkeit erfüllt. Durch
diese Gerechtigkeit kann ich wieder in der Beziehung zum Himmlischen
Vater leben und werde erfüllt mit dem Heiligen Geist.
Das
ist ein ganz anderes Leben, als wenn ich versuche, durch meine Werke
vor Gott gerecht zu werden. In diesem neuen Leben weiss ich zutiefst,
dass ich vor Gott gerecht bin und dieses Wissen bringt gute Werke
hervor.
Galater
5,6: „denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch
Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe
wirksam ist.“
1.
Timotheus 1,5:“das
Endziel des Gebotes (der Botschaft der Bibel) aber ist Liebe aus
reinem Herzen und gutem Gewissen und ungeheucheltem Glauben.“
Wenn
meine Motivation für gute Werke mein schlechtes Gewissen ist, dann
tue ich die guten Werke nicht aus Liebe, sondern weil ich vor Gott
und/oder vor mir gerecht sein möchte. Wenn ich aber an die
Gerechtigkeit durch das Opfer von Jesus glaube, dann wird dieser
Glaube durch die Liebe in mir wirksam.
Wenn
aber diese guten Werke ausbleiben, dann besteht Grund meinen Glauben
an die Gerechtigkeit Jesu näher anzuschauen. Es ist wie bei einem
Auto. Ein Auto hat die Bestimmung zu fahren. Wenn es nicht fährt,
dann stimmt etwas nicht. Vielleicht fehlt der Treibstoff. Ohne
Treibstoff kann ein Auto nicht fahren. Der Treibstoff ist nicht die
Auswirkung des Fahrens, sondern die Voraussetzung.
Genauso
ist die Gerechtikeit durch den Glauben die Voraussetzung für gute
Werke.
Als
eine andere Illustration mag ein Skilift dienen. Der Glaube an die
Gerechtigkeit durch das Opfer von Jesus ist wie der Skilift, der uns
auf die Höhe des Berges bringt. Wer auf der Höhe des Berges ist,
kann nun mit den Skiern runter fahren. Aber es ist aussichtslos den
Berg mit den Skiern hinauf fahren zu wollen (ohne Skilift).
Noch
eine andere Illustration. Keine Mutter sagt zu ihrem Baby: Zeige mir
mal zuerst durch gute Werke, dass du ein guter Mensch bist. Dann
werde ich dich füttern und wickeln und meine Liebe schenken. Nein.
Zuerst muss das Baby die bedingunslose Fürsorge und Liebe der Eltern
erfahren. Nur dann kann es später gute Werke tun.
Deshalb
stellt Jesus auch ein Kind als Vorbild vor, wie man in das Reich
Gottes kommt.
Matthäus
10,15:“Wahrlich,
ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird
nicht hineinkommen!“
Deshalb
möchte ich allen Mut machen, mich eingeschlossen, den Blick auf
diese Welt mit all ihrer Not und Ungerechtigkeit wegzunehmen und die
Augen ganz auf Jesus auszurichten und sich daran zu freuen, was er am
Kreuz für uns getan hat. Dies so lange, bis unsere Herzen ganz mit
seiner Liebe erfüllt sind, bis es unsere tiefste Identität geworden
ist, dass wir durch das Opfer von Jesus geliebte Kinder des
Himmlischen Vaters geworden sind.
Und
dann wird es eine grosse Freude werden, aus dieser Liebesbeziehung
mit dem Himmlischen Vater heraus durch gute Werke den Menschen die
Liebe Gottes zu bringen.